Über die Ehe zu reden, heißt auch über die Unterschiede zwischen Mann und Frau ein Wort zu verlieren. Ich erinnere mich noch gut, wenn mein Vater zuhause geholfen hat aufzuräumen, dann wurde es eher stressig. Was für ihn Staubfänger waren, war für meine Mutter Deko. Die Unterschiede begegnen uns im Alltag.
Aber: Kein vernünftiger Mensch lehnt ein Geschenk von einer geliebten Person ab, ohne es wenigstens anzuschauen. Wenn Gott den Menschen als Mann und Frau erschaffen hat, bedeutet dies, dass das Mann-Sein bzw. Frau-Sein kein zufälliges Beiwerk des Mensch-Seins ist, sondern seinen Kern ausmacht. Jede Zelle in unserem Körper trägt den Stempel XX oder XY. Wir verstehen uns also selbst nicht, wenn wir unser Mann-Sein oder Frau-Sein ignorieren. Und die heilige Schrift berichtet, dass Eva aus der Rippe Adams genommen wird, das zeigt uns, dass der eine ohne den anderen unvollständig ist.
Erst der Sündenfall hat die Einheit zwischen Mann und Frau durcheinander gebracht. Seitdem erleben wir ein großes Schuld-Verschiebespiel, in dem einer mit dem Finger auf den anderen zeigt. Um die ursprüngliche Ordnung zu reparieren und wiederherzustellen, wird Gott Mensch. Obwohl er Gott gleich ist, hat er sich seiner Herrlichkeit entledigt und die Rolle eines Dieners angenommen. Er verzichtet auf seine göttlichen Privilegien und nimmt die Rolle eines Sklaven an, der im Dienst für seinen Herrn stirbt. Jesus übernahm diese Rolle völlig freiwillig, als Geschenk an seinen Vater. Die Unterordnung war kein Angriff auf seine Würde, sie ist auch kein Zeichen von Schwäche, sondern seiner Größe.
An dieser Stelle wird der „Tanz“ der Dreifaltigkeit sichtbar. Der Sohn beugt sich dem Vater und übernimmt die untergeordnete Rolle. Der Vater nimmt diese Gabe an, aber dann erhöht er den Sohn auf den höchsten Platz, so dass alle sich vor ihm verneigen müssen. Jeder möchte dem anderen gefallen, jeder möchte den anderen erhöhen, jeder liebt den anderen.
Seid untereinander so gesinnt, wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht: Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, Gott gleich zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen; er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz. Darum hat ihn Gott über alle erhöht und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen, damit alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihr Knie beugen vor dem Namen Jesu und jeder Mund bekennt: Jesus Christus ist der Herr zur Ehre Gottes, des Vaters.
Phil 2,5-11
Mann und Frau sind eingeladen, den Tanz der Dreifaltigkeit nachzuahmen und widerzuspiegeln: Liebende, sich selbstaufopfernde Autorität und liebendes, mutiges Sich-unterordnen. Dies ist einer der Gründe, warum Paulus sagen kann, dass das Geheimnis der Ehe uns in das Herz Gottes blicken lässt. Im Tanz der Dreifaltigkeit ist der der Größte, der der Bescheidenste ist, sich am meisten um das Wohl des anderen müht, am meisten das Beste des anderen im Sinn hat.
Da rief Jesus sie zu sich und sagte: Ihr wisst, dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und ihre Großen ihre Macht gegen sie gebrauchen. Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll der Sklave aller sein. Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele.
Mk 10,42-45
Mit seiner Menschwerdung hat Jesus das Haupt-Sein und die Autorität neu definiert (oder genauer gesagt, erst richtig definiert). Jegliche Ausübung von Macht muss als Dienst an dem anderen gesehen werden, und dient nicht der Selbstverherrlichung oder der Vermehrung der eigenen Privilegien. Jesus ist der, der nicht kam, um sich, wie die Herrscher der Welt das erwarten, bedienen zu lassen, sondern um selber zu dienen, ja sein Leben hinzugeben. Jesus macht sehr klar, wie er über die Mächtigen denkt: Sie üben ihre Autorität so aus, dass sie die großen Herrn spielen. Aber so darf es bei uns Christen nicht sein. Wer Macht hat, muss der Kleinste aller sein.
Als Paulus seinen Brief an die Gemeinde in Ephesus schrieb, war das Beispiel Jesu längst zum Vorbild für die Beziehung zwischen Mann und Frau in der Ehe geworden. Beide, Ehefrau und Ehemann, bekommen in der Ehe die Jesus-Rolle zugeteilt – Jesus in seiner sich aufopfernden Autorität, Jesus in seiner mutigen Unterordnung. Da Gott die Frau zur Gefährtin für ihren Mann berufen hat, wäre es merkwürdig, wenn er nicht Männer wie Frauen mit je spezifischen Fähigkeiten ausgestattet hätte, damit sie ihre gemeinsame Berufung besser erfüllen können.
Männer wie Frauen sind nicht austauschbare Unisex-Wesen, sondern haben unterschiedliche Stärken, die dazu führen, dass sie beim Lösen von Problemen, bei der Konsensfindung und im Führen von Menschen unterschiedlich vorgehen. Bedauerlicherweise sind es gerade diejenigen, die angeborene Unterschiede zwischen Männern und Frauen leugnen, die die Frauen als Frau letztendlich abwerten. Wie oft werden Frauen angehalten, ihre weiblichen Eigenschaften abzulegen und männerähnlich zu werden, um im Beruf erfolgreich zu sein?
Doch hier kommt uns das christliche Ehe-Verständnis zu Hilfe. Die Ehe ist die Antwort auf die Kluft zwischen den Geschlechtern. Sie ist die volle Annahme des anderen Geschlechts. Wir wissen: Selbst auf der Ebene der atomaren Teilchen wird das ganze Universum zusammen gehalten von der Anziehung positiver und negativer Kräfte. Ja es stimmt: das Annehmen des anderen ist das, was unsere Welt im Innersten zusammenhält.
Jesus gibt uns sowohl das Vorbild als auch die Kraft. Christus nahm die ultimativ anderen an – die sündigen Menschen. Er schloss uns nicht aus, er überließ uns nicht dem Gericht, sondern er nahm uns an, indem er am Kreuz für unsere Sünden starb. Einen anderen lieben, geht nicht ohne Opfer. Das bedeutet, dass ich manchmal verraten, abgelehnt und angegriffen werde. Die einfachste Lösung wäre, dass ich davonlaufe. Aber das hat Jesus nicht getan. Er nahm uns an und liebte uns – die anderen – und führte uns in eine erneuerte Einheit mit Gott, und so haben wir durch Jesus eine tiefe Geborgenheit in Gott.
Wichtig zu verstehen ist: Das Familienmodell, in dem der Mann arbeiten geht und die Frau zu Hause bei den Kindern bleibt, ist eine neuzeitliche Entwicklung, die die Industrialisierung mit sich brachte. Jahrhunderte lang arbeiteten Mann und Frau (und oft auch die Kinder) zusammen auf dem Bauernhof oder in der Werkstatt. Sie und Ihr Ehepartner sollten sich klar sein, dass die heilige Schrift Ihnen keine Liste der Dinge gibt, die Männer bzw. Frauen zu tun oder zu lassen haben. Das bedeutet, starre kulturell bedingte Rollenverteilungen können sich nicht auf die heilige Schrift berufen. Das ist die Aufgabe jedes Ehepaares. Bleiben Sie sich dabei aber bewusst: Jedes Geschlecht hat seine Eigenschaften und Stärken.
Die Ehe bringt eine weitere Stärke mit sich. Eigenschaften des Partners färben mit der Zeit ab. Nach vielen Ehejahren kann es passieren, dass Sie wenn Sie in einer Situation im Begriff sind, zu reagieren, instinktiv wissen, was Ihr Partner sagen oder tun würde, wenn er da wäre. Sie haben so die Möglichkeit, sich zu fragen, ob die typische Reaktion Ihres Partners jetzt klüger und passender als die Ihre wäre? Ihr Repertoire möglicher Antworten und Verhaltensweisen ist größer geworden. Die Ehe erweitert also Ihre Identität.
Die bekannten Klischees entstehen durch die Männlichkeit und Weiblichkeit in ihrer einseitigen, unerlösten, sündigen Gestalt. Aber die Rollen von Mann und Frau gründen letztlich in den Beziehungen der drei göttlichen Personen zueinander. Weil die Ehe diese innergöttlichen Beziehungen widerspiegelt, können wir an ihr nicht eigenmächtig Änderungen vornehmen.
Nur wenn Sie in Ihrem Leben die Gebote Gottes ernst nehmen, werden Sie auch zufrieden sein, seinen Plan für Ihr Leben anzunehmen. Bedenken Sie: Die Ehe fordert Sie auf, die Jesus-Rolle anzunehmen! Die einzige Person, über die Sie Macht haben, sind Sie selber. Ändern können Sie nur sich selber. Und bleiben Sie sich immer bewusst: Autorität richtig auszuüben ist ebenso schwierig wie sie anzuerkennen.