30. Oktober 2024

Jesus und das Reich Gottes

Der Hausherr holt aus seiner Vorratskammer neue und alte Dinge hervor. Er greift einerseits auf die Weisheit der Jahrhunderte und die Hoffnungen Israels zurück, andererseits auf die Visionen über das Himmelreich. Das Evangelium Jesu Christi ist im Alten Testament verwurzelt, aber gleichzeitig wird das Alte Testament im Neuen frischend und aufregend fortgeschrieben.

Jesus will seine Zeitgenossen, aber auch uns mit seiner Reich-Gottes-Botschaft aufrütteln, sie aus ihrem Denken herausholen. Er behauptet, er und seine Botschaft seien die wahre Erfüllung der langersehnten Verheißungen Israels, ja sogar der Welt, und all die Vorstellungen seiner Zeitgenossen, egal wie unterschiedlich sie waren, seien falsch.

Wenn er vor uns stehen und zu uns reden würde, dann müssten wir eine Entscheidung fällen, und zwar dringend. Das Evangelium vom Reich Gottes ist keine gefällige religiöse Idee, die man gerne mal erkundet, wenn man ein paar Stunden nichts zu tun hat. Es gleicht auch nicht einem attraktiven Museumsobjekt, das man bewundern geht, wenn man zufällig in der Gegend ist.

Das Evangelium ist, sagt Jesus, wie ein sagenhafter Schatz, der dir gehören kann — wenn du alles andere verkaufst, um das Feld zu kaufen, in dem er verborgen ist. Es ist, sagt er, wie die größte, herrlichste, reinste Perle, die sich ein Juwelier vorstellen kann, und sie kann dir gehören — wenn du alles verkaufst, inklusive aller anderen Perlen, die du je besessen hast, um diese eine zu kaufen.

Die beiden kleinen Gleichnisse am Anfang des Sonntagsevangelium stehen klar im Widerspruch zu einer Vorstellung, die in der Antike ebenso in Mode war wie in der modernen Welt: die Vorstellung, verschiedene Religionen und die Erfahrungen, die sie anbieten, seien wie verschiedene Perlen, die man sammeln kann.

Es gibt nur eine wertvollste Perle; es gibt nur einen sagenhaften Schatz; daneben ist alles andere nichts. Die Perle, der Schatz ist das Evangelium vom Reich Gottes, das Jesus verkündigte und verkörperte. Man muss sich bewusst dafür entscheiden.

Die Entscheidung ist heute nicht weniger dringenden, denn die Welt dreht sich nicht einfach immer im Kreis, wie es viele Religionen und Philosophien lehren. Sie steuert vielmehr in gerader Linie auf ein Ziel zu. Wenn wir Jesus ernst nehmen, dann hat mit seinem Kommen der Prozess des Gerichts bereits begonnen.

Indem er lehrte und lebte, was das Reich Gottes ausmacht, muss die Welt sich entscheiden: auf der einen Seite sind die, die ihm Glauben schenkten, und auf der anderen Seite alle, die sich seinem Evangelium widersetzen und es ablehnten.

Als Sohn Gottes weiß er sehr genau, dass die Gesinnung seiner Zeitgenossen auf die Katastrophe im Jahr 70 n. Chr. zusteuert. Er verspricht dem, der ihm folgt, Gottes Großzügigkeit, jenem aber, der ihn ablehnt, sagt er voraus, dass sie sich die Hölle bereiten.

Dieser Prozess erreichte einen ersten Höhepunkt, als die Stadt und das Regime, die Jesus abgelehnt hatten, im Jahr 70 n. Chr. von den Römern zerstört wurden. Der Prozess geht immer noch weiter, bis zu dem Tag, an dem Gott die ganze Welt in Gerechtigkeit und Wahrheit neu gestalten wird.

Dann werden alle, die aus Unrecht und Lüge ihr Leben gestaltet haben, herausfinden – sagt Jesus -, dass sie wie schlechte Fische sind, die die Fischer wegwerfen müssen.

Die Gleichnisse in diesem Kapitel fordern uns in zweifacher Hinsicht heraus: Verstehen und Handeln. Verstehen ohne Handeln ist unfruchtbar; Handeln ohne Verstehen ist nutzlos. Dies gilt auch noch heute.