7. Oktober 2024

Das Geschenk

Es ist Heiliger Abend und ein Familienvater ist mitten in den Weihnachtsvorbereitungen. Die Zeit ist schon etwas knapp. Da klingelt es. Er ist etwas genervt: Wer kommt jetzt noch? Und was will er? Verstimmt geht er an die Tür, um zu öffnen. Er will demjenigen gleich deutlich machen, dass er nicht viel Zeit hat, denn …

Da steht zu seiner Überraschung ein Expressbote vor der Tür und hält ihm ein Kuvert entgegen. Er schaut sich das Kuvert an. Es ist von seinem Firmenchef. Jetzt wird ihm heiß. Wegen der Corona-Pandemie war er seit Monaten in Kurzarbeit und finanziell wurde es immer enger. Er hatte den Kredit für das Haus noch nicht ganz abbezahlt. Es fehlten noch 20.000,- €.

Doch zu allem Überdruss hatte, ihm sein Chef gestern noch verkündet, dass er ihn im neuen Jahr entlassen wird müssen. Er beteuerte ihm zwar, dass er seine Arbeit sehr geschätzt habe, aber die Umstände seien eben sehr widrig. Er hatte in diesem Gespräch noch vorsichtig auf seine prekäre finanzielle Lage hingewiesen. Aber auch das hatte nichts gebracht. Dass er seit Monaten in Kurzarbeit ist, wissen seine Frau und die vier Kinder, aber über die drohende Entlassung hat er noch kein Wort verloren, er wollte seiner Familie das Weihnachtsfest nicht verderben. Seit Stunden ringt er um die richtigen Worte, wie er die drohende Entlassung seiner Familie beibringen kann.

Seine Verstimmung über den Störenfried schwindet, dafür macht sich Empörung über seinen Chef, Angst und Sorge über die finanzielle Lage und die Zukunft in seinem Herzen breit. Wie soll das nächste Jahr werden? Müssen Sie ihr Haus verkaufen, um über die Runden zu kommen? Wo würden Sie eine Wohnung finden? Wo würden seine Kinder in die Schule gehen? Würden  Einschränkungen genügen? Wann würde er wieder Arbeit finden? Und was soll dieser Brief am Heiligen Abend?

Da reißt ihn der Expressbote aus seinen Gedanken. Er bittet ihn um eine Unterschrift und wünscht ihm ein schönes Fest. Er erwidert den Gruß, obwohl ihm gar nicht danach zumute ist und schließt die Tür. Natürlich haben seine Frau und die Kinder auch die Glocke gehört und sind neugierig zur Tür gekommen. Er fühlt sich bloßgestellt, als er das Kuvert in den Händen hält. Langsam öffnet er den Brief. Alle schauen ihn erwartungsvoll an. Seine Frau nimmt natürlich sofort wahr, dass irgendetwas nicht stimmen kann.

In seinem Kopf schwirren jetzt Gedanken herum wie: Warum muss Gott ihn gerade am Heiligen Abend zwingen, seiner Familie zu gestehen, dass er seinen Arbeitsplatz gerade verliert und die Konten demnächst alle überzogen sind? Wie soll er ihnen erklären, dass er selbst nicht weiß, wie er die restlichen Raten für das Haus bezahlen soll? und: Was denkt sich sein Arbeitgeber bloß? Von diesen Gedanken gefangen, zieht er den Brief heraus. Der fragende Blick seiner Frau trifft ihn ins Herz. Still überfliegt er den Brief. Sein Firmenchef beteuert ihm, dass er seine Arbeit immer sehr geschätzt habe und dass er auch seine finanzielle Sorge versteht, weshalb er auch sehr bedauert, dass er ihn entlassen müsse.

Doch als er weiterliest, traut er seinen Augen nicht. Sein Chef schreibt, dass er ihm von seinem Privatvermögen 20.000,- € überwiesen hat und drückt damit die Hoffnung aus, dass Ihnen das über die nächsten Monaten hilft und er mit seiner Familie doch noch frohe Weihnachten feiern kann. Jetzt ist er fassungslos, gerührt, hat Tränen in den Augen. Er kann noch gar nicht glauben, was er da gerade gelesen hat. Er liest es noch einmal. Er nimmt sein Smartphone aus der Hose und öffnet seine BankApp. Das Geld ist schon da!

Seine Frau hatte ihm schweigend zugesehen, sie sieht die Tränen in seinen Augen. Sie merkt aber auch, dass seine Anspannung sich gelöst hat. Zutiefst dankbar erzählt er ihr jetzt von seiner Kündigung und diesem Brief.

Wir alle verstehen sofort die Dankbarkeit, Ergriffenheit und Freude dieses Familienvaters und seiner Familie. In der Heiligen Nacht haben wir alle noch eine viel umwerfendere Nachricht erhalten. Wir haben uns nur leider schon daran gewöhnt. Gott sagt uns in dieser Nacht, dass er für uns Mensch geworden ist. Das Kind in der Krippe sagt uns: Ich, Euer Gott, liebe Euch so sehr, dass mir Euer Schicksal nicht egal ist. Ich trete in Schicksalsgemeinschaft mit Euch.

Seht, ich lasse mich von den Menschen behandeln, wie sie Euch behandeln. Für Euch ertrage ich all die Ungerechtigkeit und Gemeinheit meines Lebens. Für Euch nehme ich Verlassenheit und Verrat durch meine besten Freunde auf mich. Bedenkt, wenn es kein Leid, keine Ungerechtigkeit, Verlassenheit und Verrat gäbe, wie könnte ich Euch meine Liebe beweisen.

Ich werde Kind, damit Ihr vor mir, dem Allmächtigen, keine Angst habt. Ihr könnt mir, dem unendlich großen Gott, auf Augenhöhe begegnen, weil ich mich vor Euch klein mache: Ich liebe Euch! Mein Tod sagt Euch: Der Tod ist die Tür ins wahre Leben. Ihr findet es nicht auf Erden, sucht das was droben ist. Habt keine Angst ich habe die Welt besiegt und Eure Schuld beglichen.

Wir haben keinen Grund selbstgerecht zu sein und uns über andere zu erheben, aber wir haben allen Grund Gott dankbar zu sein. Normalerweise geht der, der Not leidet, zu dem, von dem er Hilfe erwarten kann. Das Geheimnis dieser Nacht ist: Gott wartet nicht bis wir kommen, er ist in dieser Nacht uns zu Hilfe gekommen!

Wir gehen als Christen nicht in die Kirche, weil wir die besseren Menschen sind, sondern weil wir begriffen haben, dass wir allen Grund haben, Gott dankbar zu sein. Unser Glaube ist keine Leistung vor Gott, die uns den Himmel sichert, sondern ein Sich-verlassen-auf-Gott.

Glaube ist möglich, weil Gott glaubt an mich. Der Glaube Gottes an mich ist so groß, dass er mir die Freiheit lässt, obwohl er weiß wie ich damit umgehe und er kennt auch die Folgen.

Glauben heißt deshalb, sich um das Gute zu bemühen, weil wir zutiefst dankbar sind und wissen, ohne Gott bleibt der Himmel für uns unerreichbar und das Leben kann unerträglich werden. Christsein heißt, aus einer tiefen Dankbarkeit das eigene Leben zu gestalten, trotz all der Schwierigkeiten des Lebens.

Diese Begebenheit dieses Familienvaters lädt uns ein unsere Dankbarkeit mit anderen zu teilen, dann kommen wir auch gut durch die Pandemie mit all ihren Folgen.