Wer sich gegen eine gefährliche Krankheit impfen lässt, leistet grundsätzlich einen begrüßenswerten Beitrag für die eigene Gesundheit und die anderer Menschen. Freilich müssen wichtige Voraussetzungen gegeben sein:
1. Der Impfstoff soll wirksam sein und zugleich arm an möglichen schweren Nebenwirkungen. Dies verlangt eine ausreichende Zeit für Tests und klinische Prüfungen. Die Corona-Impfstoffe mussten unter zeitlichem Druck entwickelt werden, gelten aber inzwischen als relativ sicher.1 Eine Abwägung zwischen einem erwarteten großen Nutzen und möglichst gering zu haltenden möglichen Nebenwirkungen ist nötig. Es ist nachvollziehbar, dass man angesichts der gegenwärtigen Corona-Situation nicht länger zuwarten kann und will: Nur wirksame Schutzmaßnahmen für sich selbst und andere – zu denen auch die Impfung zählt – können die weitere Ausbreitung von Covid-19 so eindämmen, dass viele vor schweren Krankheitsverläufen bewahrt bleiben und sich das private und gesellschaftliche Leben stufenweise normalisiert.
2. Die Herstellung, die Tests und die Anwendung des jeweiligen Impfstoffes sollen moralisch einwandfrei sein. Leider gibt es bei einigen Impfstoffen einen problematischen Ursprung in Zelllinien, die aus abgetriebenen Föten gewonnen wurden. Außerdem wurden Impfstoffe in Zellkulturen getestet, die aus solchen problematischen Linien stammen.2 Hier könnte man für sich selbst sagen, gleichsam zeugnishaft: Da mache ich nicht mit! Das ist zu respektieren und wird von der Kirche anerkannt. Eine solches Nein kann nicht verpflichtend für alle gemacht werden. Es gibt Menschen, die entweder eine bestimmte Impfung benötigen oder denen eine Impfung gesetzlich vorgeschrieben oder doch zumindest nahegelegt wird. Hier sagt die Kirche, dass der Geimpfte nicht für all das verantwortlich ist, was bei der Herstellung und den Tests eines Impfstoffes vielleicht an Unmoralischem geschieht. Es gibt eine gestufte Verantwortung. Wo keine ethisch einwandfreien Impfstoffe zur Verfügung stehen, ist es moralisch akzeptabel, auch jene einzusetzen, bei deren Entwicklung und Produktion Zelllinien von humanen Feten zum Einsatz kamen, betont die Glaubenskongregation in ihrer Note vom 21.12.2020 als Antwort auf Anfragen. Sich damit impfen zu lassen, bedeutet keine formelle Beteiligung an einer Abtreibung. Zugleich sollen sich möglichst viele Menschen bei Entscheidungsträgern in Politik, Medizin und Wirtschaft für die Herstellung moralisch einwandfreier Impfstoffe einsetzen und in diesem Sinn auch einen positiven Einfluss auf die Bildung der öffentlichen Meinung nehmen.
3. Impfungen sollen grundsätzlich freiwillig sein, außer es besteht ein hohes Ansteckungsrisiko bei einer gefährlichen Krankheit. Auch ist es möglich, bestimmte Alters- und Risikogruppen bevorzugt zu impfen. Wie Papst Franziskus betont, sollen wirksame und zugleich ethisch einwandfreie Impfstoffe auch den Menschen ärmerer Länder und Regionen in ausreichender Weise zur Verfügung gestellt werden.
Zuletzt aktualisiert am 05.05.2021
Prof. Dr. theol. Josef Spindelböck
1 Die Risiken halten sich in Grenzen, wenn keine Vorerkrankung oder besondere gesundheitliche Belastung besteht; in Zweifelsfällen ist eine ärztliche Abklärung vor der Impfung zu empfehlen. Dennoch bleiben offene Fragen, auch hinsichtlich möglicher Langzeitfolgen, die noch nicht geklärt sind, und es ist verständlich, dass all dies zu Verunsicherungen führt.
2 Beim mRNA-Impfstoff der Firma BioNTech/Pfizer werden zur Testung Zelllinien aus abgetriebenen Föten verwendet, nicht aber zur Produktion des Impfstoffs. Bei den Vektorimpfstoffen von AstraZeneca und Johnson&Johnson werden auch für die Produktion des Impfstoffes Zelllinien unerlaubten Ursprungs verwendet. Im Impfstoff als solchen finden sich diese Zellen nicht mehr.