18. April 2024

Die Unaufdringlichkeit Gottes schenkt uns Freiraum

Gott hat es gewagt: Er hat den Menschen nach seinem Bild und Gleichnis geschaffen. Und dann das zweite Wagnis: die Menschwerdung des Sohnes, des ganz Heiligen, der in allem uns Menschen gleich wurde. Und das dritte: dass der menschgewordene Sohn für seine Brüder und Schwestern das Brot des Lebens sein will. Das ist seine Opfergabe für jeden, der Hunger nach Gott hat.

SCHOTT-Messbuch. Für die Sonn- und Festtage des Lesejahres C. Freiburg im Breisgau: Verlag Herder GmbH, 2018; S. 342

Gott ist größer als unsere Vorstellungskraft und wäre er nicht Mensch geworden, wir wüssten Vieles nicht. Aber wir kennen Gott, weil Jesus uns gelehrt hat. Und wir müssen Gott nicht wie ein Gemälde äußerlich betrachten, sondern wir tragen seine Stimme in uns. Seine Stimme fordert uns zum Fair Play auf.

Wenn ein Mensch Erwartungen an mich richtet, z.B. ehrlich oder hilfsbereit zu sein, dann erzählt mir das etwas über diesen Menschen. Glaubwürdig ist dieser Mensch für mich aber nur, wenn er selber tut, was er von mir erwartet. Wenn jemand von mir Ehrlichkeit erwartet, aber mich belügt, oder wenn jemand meine Hilfe einfordert, aber nie hilft, dann erfülle ich seine Erwartungen vielleicht, weil er die Macht hat mich zu zwingen, aber sicher nicht, weil ich ihn schätze und liebe.

Wenn Gottes Stimme im Gewissen Erwartungen an mich richtet, dann erzählt sie mir auch etwas über Gott. Gott könnte diese Erwartungen einfordern, weil er die Macht hat, aber er wird Mensch und lebt mir seine Erwartung in Jesus vor. Er will nicht als Tyrann wahrgenommen werden, der mich zwingt. Er will das Vorbild sein, zu dem ich aufschaue, dem ich vertraue und das ich achte.

Wenn ich auf das Leben Jesu blicke, sehe ich, dass Fair Play nicht automatisch gleichzusetzen ist mit Profit, Respekt und Erfolg. Er stirbt relativ einsam am Kreuz. Sein Leben lehrt mich:

Fair Play kann bedeuten, wenn ich bei eBay etwas verkaufe, mich mit 30 € zufrieden zu geben, obwohl ich 100 € abzocken könnte. Fair Play kann bedeuten, meine Berufspflichten gewissenhaft zu erfüllen, obwohl niemandem auffallen würde, wenn ich schummle. Fair Play könnte bedeuten, die Wahrheit zu sagen, obwohl dann andere über mich lachen. Fair Play könnte bedeuten, dass ich anderen helfe, obwohl ich mich in Sicherheit bringen könnte.

Fair Play wird auf Erden nicht immer belohnt. Aber wenn alle Menschen anständig wären, hätten wir eine glückliche, gerechte und gut funktionierende Gesellschaft. Fair Play ist für die Gesellschaft lebensnotwendig, auch dann wenn ich dafür auf Erden nicht unbedingt belohnt werde. Fair Play weißt mich auf die Ewigkeit hin. Denn mein Fair Play wird von Gott in der Ewigkeit belohnt.

Wenn du Almosen gibst, posaune es nicht vor dir her, wie es die Heuchler in den Synagogen und auf den Gassen tun, um von den Leuten gelobt zu werden! Amen, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn bereits erhalten.  Wenn du Almosen gibst, soll deine linke Hand nicht wissen, was deine rechte tut,  damit dein Almosen im Verborgenen bleibt; und dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird es dir vergelten.

Mt 6,2-4

Die Stimme Gottes in unserem Herzen lehrt uns Fair Play, sein Leben zeigt uns Fair Play findet auf Erden nicht unbedingt die angemessene Würdigung. Warum ist es dennoch so wichtig? Gott existiert in drei Personen, er ist Gemeinschaft. Heilig zu sein heißt, gemeinschaftsfähig zu sein, mit Gott, aber auch mit meinem Nächsten. Gemeinschaft ist ohne Fair Play nicht möglich.

Durch seine Anwesenheit in der Eucharistie lehrt uns Gott noch etwas anderes über sich: Er will uns nicht erdrücken, sondern er lässt uns Freiraum. Gott ist nicht aufdringlich. Aber wünschen Sie nicht auch gelegentlich, dass Gott einmal richtig durchgreift und den Menschen die Möglichkeit zur Sünde genommen wird? Leiden wir nicht alle irgendwie unter den Sünden von Menschen?

Wenn Sie erahnen wollen, wie so eine Gesellschaft wäre, dann verbringen Sie einige Jahre in China. Sie werden von morgens bis abends komplett überwacht und Ihr Verhalten wird durch einen Verhaltenskodex der Regierung ständig bewertet. Wenn Sie z.B. bei Rot über die Ampel gehen, wird Ihr Gesicht sofort auf großen Bildschirmen eingeblendet, damit alle sehen: Sie haben gegen den Verhaltenskodex verstoßen. Für ihr Verhalten bekommen sie Punkte. Abhängig von Ihrem Punktestand können Sie dann eine Wohnung mieten, einen Kredit auf der Bank aufnehmen, erhalten einen guten Arbeitsplatz oder einen Kita- oder Schulplatz für ihr Kind. Glauben Sie, dass so jemals ein glückliche Gesellschaft entstehen kann?

Gott lässt uns Freiraum, damit wir menschenwürdig leben können und wir stellen fest, dass wir diesen Freiraum auch für unfaires Verhalten nützen. Wir wissen aus eigener Erfahrung, die Welt ist nicht so, wie Gott sie wollte. Der Apostel Paulus sagt:

Alle haben ja gesündigt und die Herrlichkeit Gottes verloren.

Röm 3,23

Und der Apostel Johannes schreibt:

Wenn wir sagen, dass wir nicht gesündigt haben, machen wir ihn zum Lügner und sein Wort ist nicht in uns.

1 Joh 1,10

Wir sind eben kein Stein oder Baum, die nur den Naturgesetzen folgen können. Aber weder Stein noch Baum kennen die Stimme Gottes in ihrem Herzen. Weil wir alle gesündigt haben, leben wir alle aus dem Erbarmen Gottes. Gott erbarmt sich und schenkt uns das Brot des ewigen Lebens.