26. April 2024

Das Gebetsleben ist Ausdruck meiner Gottesbeziehung

Stellen Sie sich vor, Ihr Arzt macht Ihnen klar, dass Sie eine gefährliche Krankheit haben, dass Sie nur noch ein paar Tage zu leben haben, wenn Sie nicht ein ganz bestimmtes Medikament einnehmen – eine Tablette jeden Abend vor dem Einschlafen.

Wenn Sie diese auch nur einmal vergessen, sind Sie ein toter Mensch. Werden Sie die Tablette vergessen? Werden Sie sich manchmal sagen: Nein, heute Abend hab ich keinen Bock? Nein, Sie würden sie kein einziges Mal vergessen, weil Sie wissen, wie wichtig sie ist.

Ein Fehler, der uns moderne und individualistische Menschen vom Gebet abhält, ist, dass wir meinen, wir müssen unsere Probleme selber lösen und nicht Gott damit belästigen sollten.

Das ist jedoch ein großer Trugschluss. Ohne Gott gibt es keine Erlösung. Und Erlösung ist kein Automat, wo ich am Ende meines Lebens noch schnell 5 € einwerfen kann und dann bin ich erlöst.

Glauben Sie, dass Ihre Ehe hält, wenn Sie Ihren Partner links liegen lassen, sich aber vornehmen, ihm kurz vor dem Tod ein größeres Geschenk zu machen? Vermutlich hat Sie da der Partner längst verlassen.

Ihr Gebetsleben gibt Ihnen Aufschluss über den Zustand Ihrer Gottesbeziehung!

Wenn Sie für tägliche Soaps im Fernsehen, Chattrooms im Internet, Spiele auf der Konsole usw. Zeit haben, aber nicht für die Anbetung Gottes; wenn Sie für ein Formel 1-Rennen am Sonntag früh aufstehen, aber den Gottesdienst schmerzfrei verschlafen; wenn Sie die Nächte mit Freunden durchfeiern, den wichtigsten Freund, Gott, aber links liegen lassen; wie muss Gott sich fühlen?

Lassen Sie probeweise Ihren besten Freund auf Erden im nächsten Jahr mal links liegen und fragen Sie ihn nach dem Jahr, wie er sich fühlt. Glauben Sie, dass er, wenn Sie in Not geraten, begeistert ist, wenn Sie sich dann an ihn erinnern?

Viele moderne Menschen behandeln Gott so. Sie interessieren sich nicht für ihn, sie sprechen nicht mit ihm, sie loben und danken ihm nicht, aber wenn sie in Not sind, dann erwarten sie, dass er ihnen hilft!

Wenn Katastrophen passieren, kann man häufig lesen: Wo war Gott? Wie konnte er das zulassen? Die Autoren scheinen keine Sorge zu haben, dass er ihnen antworten könnte: Ich habe jeden Tag auf ein Wort von dir gewartet! Ich habe jeden Sonntag gehofft, dich bei der Eucharistie zu sehen!

Sein Sohn ist für unsere Schuld gestorben und er hat uns die heilige Beichte geschenkt, damit wir uns entschuldigen können.

Ich hatte einen Freund, der an einem Gehirntumor gestorben ist. Angesichts des Todes hat er sich gefragt: „Warum passiert mir dies? Bin ich ein so schlechter Mensch?“ Ich konnte ihm ehrlich antworten: „Nein, du bist kein schlechter Mensch. Du gehst am Sonntag in den Gottesdienst, öfter auch am Wochentag. Du bist Lektor. Du engagierst dich bei Hilfstransporten, usw.“

Ich bin mir sicher, dass Gott ihn in der Ewigkeit einmal überraschen wird. Er wird ihn sehen lassen, wofür sein geduldig getragenes Leid gut war. In der Ewigkeit werden wir Glück und Unglück mit den Augen Gottes sehen. Vieles, was uns jetzt rätselhaft bleibt, werden wir dann verstehen. Vieles, was uns jetzt traurig zurücklässt, wird uns dann zur Freude gereichen.

Tatsache aber war, dass er in den letzten Monaten seines Lebens zu einer unglaublichen Tiefe im geistlichen Leben gereift ist. Ich habe als Priester von ihm gelernt.

In den Briefen des Apostels Paulus sind immer wieder Gebete enthalten. Darin ersehnt er für sich und die Christen immer eine tiefere Erkenntnis Gottes. Er bittet nie um eine Veränderung der äußeren Lage, obwohl die ersten Christen in großen Nöten lebten: Verfolgung wegen ihres Glaubens, Unterdrückung durch die Mächtigen, usw. Paulus betet nicht um einen besseren Kaiser, um Schutz vor der Willkür der plündernden Soldaten, ja um das Brot für die nächste Mahlzeit.

Paulus betet nicht für die Dinge, die auf unseren Gebetslisten ganz oben stehen. Unsere Gebete gleichen meist Wunschzetteln kleiner Kinder an Weihnachten. Meist melden wir uns bei Gott, wenn es uns schlecht geht. Wir vergessen oft, wie einzigartig Gott ist.

Gott ist die einzige Person im Universum, vor der wir nichts verbergen können. Richtiges Beten führt zur Selbsterkenntnis. Gebet muss der Schlüssel zu allem anderen, was wir im Leben tun, sein.

Wenn Sie beten lernen wollen:

  1. Lesen sie das Buch der Psalmen. Es ist das älteste Gebetbuch der Welt.
  2. Sinnen Sie über das Gelesene nach.
  3. Beten Sie nach Kräften morgens und abends. Beten Sie womöglich mit anderen, denn: „Wo zwei oder drei versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“ (Mt 18,20)
  4. Beten Sie mit der Erwartung, nicht alles selbst machen zu müssen! Geben Sie Gott die Möglichkeit und die Zeit, auf Ihr Leben Einfluss zu nehmen.
  5. Seien Sie geduldig und beharrlich.

Wenn wir nicht beten, dann laufen wir Gefahr, dass das innere Leben, wie es uns geht, von äußeren Umständen abhängig wird. Unser innerer Friede hängt dann an der Anerkennung, die unsere Mitmenschen uns entgegenbringen, an unserem sozialen Status, an unserem Wohlstand und unserer beruflichen Leistung.

Wir Christen sind hier oft nicht besser als andere Menschen. Doch Paulus stellt klar, dass es bei uns andersherum sein sollte, wenn wir nicht zum Spielball der äußeren Umstände werden wollen.

Wenn wir das äußere Leben an die erste Stelle setzen, wird unser inneres Leben von Dunkelheit und Angst geprägt. Doch schlimmer noch: Unser Leben wird unecht. Nach außen hin müssen wir ständig die seelischen Kraftprotze spielen, während wir innen voller Selbstzweifel, Ängste, Selbstmitleid und nachtragend sind.

Paulus sagt uns: Wenn wir unser inneres Leben nicht zur Chefsache machen, werden wir zu Heuchlern. Sie wollen wissen, wer Sie eigentlich sind? Schauen Sie sich an, an was Sie denken, wenn niemand Ihnen über die Schulter sieht, wenn keiner Sie zwingt, an irgendetwas Bestimmtes zu denken.

Nicht beten, ist nicht nur ein Verstoß gegen die Gebote Gottes, sondern letztlich die Weigerung, Gott als Gott zu anzuerkennen.

Beten heißt die Größe Gottes anzuerkennen und zu preisen. Beten heißt lernen, wer ich bin, und Gott meinen Lebensweg anzuvertrauen.

Beten ist eine Rebellion gegen den bösen Zustand der Welt. (Flüchtlinge, Flutopfer, Erdbebenopfer, Helfer der Bundeswehr in Afghanistan, Kriegsopfer in der Ukraine seien hier nur genannt.)

Beten verändert unsere Einstellung zur Welt. Beten verändert den Lauf der Welt. Durch das Gebet holen wir den Himmel, Gott, in unseren Alltag hinein.

Bitten wir den Herrn, dass er mit dem Ruf Effata auch unsere Taubstummheit vor Gott beenden möge.