23. November 2024

Vom Sinn der Buße

Ist Gott ein strafender oder vergebender Gott? Was sagt unser Glaube?

Der Glaube sagt uns: Jesus hat unsere Schuld gesühnt. Durch sein Leiden und Sterben ist unsere Schuld bezahlt. Als Jesus am Kreuz starb, nahm er den Fluch für unsere Untreue auf sich, damit wir den Segen des himmlischen Vaters bekommen können, den er durch seine Treue erworben hat. Jesus hat den Bund, den Gott mit den Menschen gestiftet hat, in allem erfüllt, damit wir Zugang zu der bedingungslosen Liebe Gottes haben. Durch das Kreuz — und nur durch das Kreuz — kann Gott beides sein: gerecht gegenüber der Sünde und barmherzig gegenüber dem Sünder.

Jesus hat uns das kostbarste und unglaublichste Geschenk gebracht: die göttliche Vergebung. Das Kreuz Jesu sagt uns, dass wir der Verdammung entgehen können, weil er unsere Schuld bereits bezahlt hat. Es sagt uns aber auch, dass die Sünde für Gott so ernst und schlimm ist, dass Jesus dafür gestorben ist. Wir dürfen weder das Kreuz verharmlosen, weil wir meinen, dass die Vergebung Gott nichts gekostet hat, noch dürfen wir zweifeln, dass Gott uns wirklich und vollständig vergeben hat.

Wenn wir nicht begreifen, was Gott die Vergebung unserer Sünden gekostet hat, wird unser Sündenbekenntnis oberflächlich sein, und unser Herz und unser Leben werden sich nicht wirklich ändern. Wenn wir nicht sehen, dass Gott uns gerne und bereitwillig vergibt, werden wir im Sumpf des schlechten Gewissens, der Scham und der Selbstverachtung stecken bleiben.

Wir können uns die Vergebung nicht selber verdienen, wir müssen in der Beichte die Vergebung annehmen, die Jesus uns bereits erworben hat. Deshalb ist Buße nicht ein Mittel, selber unsere Sünden abzutragen, sondern ein Mittel, Gott die Ehre zu geben und unser Leben aus Liebe auf ihn auszurichten.

Solange wir das nicht begriffen haben, werden wir unsere Sünden nur zugeben, wenn es nicht mehr anders geht, als letzten Ausweg gewissermaßen, und dabei auf das äußere Fehlverhalten starren und nicht auf unsere Herzenseinstellung und unseren Egoismus, die dahinter stehen. Wir werden so viele mildernde Umstände zusammenkratzen, wie es nur geht, denn so sehr schuld sein wollen wir nicht.

Doch Buße tun heißt, sich in die vergebenden Arme Jesu fallen zu lassen.

Wer glaubt, mit Buße selbst das Wohlwollen Gottes zurückerwerben zu müssen, könnte nie sicher sein, ob es genug war. Wenn wir aber wissen, dass Gott uns trotz unserer Sünden liebt und annimmt, fällt es uns leichter, unsere Fehler und unser Versagen zuzugeben. Es ist also falsch, sich das Bekenntnis unserer Sünden als allmähliche Selbstreinigung vorzustellen. Die Erlösung ist nicht unser Werk. Aber es ist genauso falsch, Gottes Vergebung auf die leichte Schulter zu nehmen und zu vergessen, was sie ihn gekostet hat.

Jede Sünde ist eine Schuld, die bezahlt werden muss. Eine Schuld vergeben oder erlassen bedeutet, dass der Vergebende die Bezahlung übernimmt. Da Gott uns vergeben wollte, hat er selbst für unsere Sünden gezahlt. Wenn ich vergesse, wie teuer Jesus für die Sünde bezahlt hat, wird meine Buße seicht und trivial. Ich werde weder Gott von Herzen dankbar sein noch mein Leben wirklich ändern wollen.

Wenn wir unser Sünden nur routinemäßig bekennen, machen wir die Erfahrung, dass all unsere Bekenntnisse uns nicht verändern. Meistens fallen wir schon nach kurzer Zeit in eben die falsche Denk- und Verhaltensweisen zurück, die wir gerade vor Gott bekannt haben. Wenn wir unsere Sünden bekennen (zugeben, dass das, was wir da getan haben, nicht richtig war), müssen wir auch in unseren Herzen auf Abstand zu ihnen gehen.

Es ist ein Unterschied, ob ich über die Folgen meines Fehlverhaltens entsetzt bin, oder über das Fehlverhalten selber. Wer nur die Folgen seines Fehlverhaltens sieht, sieht die Sünde nicht durch die Brille Gottes und geht innerlich nicht auf Distanz zu ihr. Es gibt eine Scheinbuße, die in Wirklichkeit Selbstmitleid ist. Ich möchte, dass der Schmerz, den die Sünde verursacht hat, aufhört, und so höre ich mit dem Fehlverhalten auf. Aber all die falschen inneren Einstellungen, die unmäßigen Begierden und die falsche Selbstwahrnehmung, die hinter der Sünde stehen, sind unverändert da.

Wenn wir nur den Schmerz sehen, den die Sünde verursacht, dann ist unsere Buße egoistisch. Dann tut uns nicht die Sünde leid, sondern wir uns selbst. Echte Buße beginnt damit, dass ich Sünde Sünde nenne und die volle Verantwortung übernehme. Echte Buße beginnt, wo das Verschiebespiel aufhört. Sie beginnt, wo das Selbstmitleid aufhört und wir anfangen, uns aus Liebe zu Gott und nicht aus bloßem Selbstinteresse von unserer Sünde abzuwenden.

Ein Kind Gottes zu sein, bedeutet nicht nur, in seiner Liebe geborgen zu sein, es bedeutet auch, dass ich meinem Vater Freude machen will. Und dies bedeutet, dass dann, wenn wir gesündigt haben, wir nicht nur ohne wenn und aber Gottes Vergebung suchen, sondern auch alles daran setzen, ein Herz zu bekommen, das ihm nicht mehr so leicht Kummer bereitet.

Wir selbst können lediglich bestimmte Verhaltensweise vorübergehend unterdrücken. Allein die Gnade – Jesu stellvertretendes Sterben am Kreuz, seine bedingungslose Liebe zu uns, sein Opfer, das ihn alles gekostet hat, unsere Annahme in die Familie Gottes – kann uns helfen, die Sünde selber zu hassen.

Diese auf Gott zentrierte Art, seine Sünde zu bekennen und aufzugeben, ist ein kräftiges Mittel der Veränderung. Die Angst vor den Folgen verändert unser äußeres Verhalten durch äußeren Druck; die inneren Neigungen bleiben. Doch der Wunsch, dem Freude und Ehre zu machen, der mich erlöst hat und der alle Anbetung wert ist — das veränderte ein Herz von Grund auf.

Echte Buße besteht nicht darin, dass wir ein wenig unseren Kopf hängen lassen, sondern darin, dass wir unser Herz dazu bringen, uns zu fragen, wie wir Gott Freude bereiten. Unser Gebetsleben ist auch der Ort, wo wir unser Leben prüfen und die Sünden aufspüren, die wir im Trubel des Alltags übersehen.