30. Oktober 2024

Was hat Johannes der Täufer all die Jahre in der Wüste gemacht, bevor er öffentlich aufgetreten ist?

Der heilige Apostel Paulus sagt, dass die gesamte Schöpfung unter dem Sündenfall des Menschen leidet.

Denn die Schöpfung wartet sehnsüchtig auf das Offenbarwerden der Söhne Gottes. Gewiss, die Schöpfung ist der Nichtigkeit unterworfen, nicht aus eigenem Willen, sondern durch den, der sie unterworfen hat, auf Hoffnung hin: Denn auch sie, die Schöpfung, soll von der Knechtschaft der Vergänglichkeit befreit werden zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes. Denn wir wissen, dass die gesamte Schöpfung bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen liegt.

Röm 8,19ff

Durch die Sünde setzt sich der Mensch an die Stelle Gottes und macht sich zum Zentrum der Welt. Die Harmonie mit der Schöpfung und der Friede unter den Mitmenschen zerbricht. Je weiter die Menschheit sich von Gott entfernt, umso deutlicher werden die Folgen für alle sichtbar.

Wir spüren diese Zerbrochenheit daran, dass es nicht nur die Seiten an uns gibt, die wir gerne herzeigen, sondern auch jene, die wir nicht wahrhaben wollen, ignorieren oder verdrängen. Wie viele Menschen flüchten vor sich selbst in Äußerlichkeiten und in Zerstreuungen.

Die Ichbezogenheit des Menschen äußert sich in Habsucht, Machtsucht und Ehrsucht. Wer habsüchtig ist, bindet sein Herz an Besitz, egal ob er ihm gehört oder ob er nur danach strebt. Johannes verzichtet in der Wüste auf alles. Wer machtsüchtig ist, hat den Drang, anderen seinen Willen aufzuzwingen, um selber mit seinen Plänen im Mittelpunkt zu stehen. Johannes geht in die Einsamkeit der Wüste. Wer ehrsüchtig ist, strebt nach Anerkennung, Bestätigung, Prestige und Lob. Johannes hat in der Wüste niemanden, der ihn loben könnte.

Wer ichbezogen ist, behandelt den anderen nicht als Person, sondern nur wie einen Gegenstand. Gegenstände gebraucht man, Gegenstände haben keinen Besitz noch Macht oder Ansehen. In dem Augenblick, da ich eine Person als Person wahrnehme, wendet sich die Habsucht in Geben, Schenken und Teilen. Aus Machtsucht wird Dienen und aus der Ehrsucht wird Ehrfurcht vor der Person des anderen. Gleiches geschieht in unserer Beziehung zu Gott. Aus Habsucht wird Hingabe, aus Machtsucht Gottesdienst und aus der Ehrsucht Anbetung.

Was lässt Gott uns im Vaterunser beten? Dein Reich komme. Damit lässt er uns sagen: Nicht mir gehört das alles, sondern dir. Wir wollen unseren Willen anderen Menschen aufdrängen. Er lässt uns sagen: Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden. Und schließlich lässt er uns beten: Nicht mein Name, sondern dein Name werde geheiligt. Darin besteht eine klare Absage an unsere Suche nach Anerkennung.

Beeindruckend ist, wie Lukas uns die Gottesmutter vorstellt. Bei der Verkündigung spricht der Engel zu Maria. Das Gespräch endet mit ihrer Hingabe: Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast. Anschließend geht Maria zu Elisabeth, um ihr zu dienen, und singt ihr Loblied: das Magnifikat. (vgl. Lk 1,26-56)

Wie beten wir? Beten wir nur, um von Gott etwas zu erhalten? Sind unsere Gebete nicht zu oft ein Haben-Wollen? Wünsche, die unser Leben bequemer oder erträglicher machen sollen?

Meinen wir nicht allzuoft zu wissen, was Gott wollen muss? Gott will Gerechtigkeit, Frieden, Harmonie und Liebe. Aber warum lässt er das Böse zu? Warum muss ein unschuldiges Kind an seiner Krankheit sterben? Warum haben die Kriege nicht endlich ein Ende? Warum bekehren sich die Menschen nicht zu Gott? Warum gibt es Unfrieden in den Familien?

Wie oft steigt in uns Enttäuschung, Unzufriedenheit und manchmal Empörung gegen Gott auf, wenn Gott unsere Anliegen nicht erfüllt oder sie nicht gleich erfüllt oder sie  anders erfüllt? Wie oft wollen wir mit unserem beschränkten Blick auf die Welt unseren Willen umgesetzt sehen?

Wie oft erwarten wir von unserem guten Tun die Anerkennung Gottes oder seinen Lohn? Suchen wir die Gaben Gottes oder Gott selbst?

Verstehen Sie jetzt, welchen Kampf Johannes all die Jahre in der Wüste geführt hat? Ahnen Sie, wie nahe er in diesen Jahren Gott gekommen ist? Begreifen Sie, warum er im Namen Gottes sprechen konnte und die Massen in die Wüste aufgebrochen sind?

In der Eucharistie feiern wir die Hingabe Jesu, den Dienst und die Anbetung, die er seinem Vater durch sein Leben geschenkt hat. Eucharistie feiern heißt, in die Hingabe und Anbetung Jesu einzutauchen. Wir nennen die Eucharistie Gottesdienst, weil wir in dieser Stunde wie Jesus Christus dem Vater dienen wollen.

Übernehmen wir die Hingabe Jesu nicht, dann empfinden wir Distanz zur Liturgie, finden nicht den rechten Zugang und langweilen uns vielleicht. Es ist schön, wenn die Predigt mitreißend ist, es ist schön, wenn die Musik erhebend ist, aber wesentlich an der Mitfeier ist das Eintauchen in die Lebensgesinnung Jesu.

In der Eucharistie steht Gott im Zentrum. Wer seine eigenen Wünsche, Probleme, Bedürfnisse und damit sich selbst in die Mitte stellt, fühlt sich in ihr fremd. Eucharistie feiern heißt, für wenigstens eine Stunde in der Woche wie Johannes in der Wüste in die Gesinnung Jesu einzutauchen und Gott das eigene Leben mit all seinen Freuden und Nöten hinzuhalten.

Unsere Hingabe an Gott können wir mit Worten oder mit unserem Tun ausdrücken. Sich Gott hingeben, kann man aber auch mit dem Sein. Einfach für Gott da sein. So wie die Vögel und Pflanzen Gott einfach durch ihr Dasein loben. Ebenso soll unser menschliches Leben Lobpreis und Anbetung Gottes werden. Danke, dass Sie zur Eucharistie kommen und jetzt für Gott da sind.

Wenn wir Gottesdienst feiern, sollen wir unsere Absicht erneuern, diese Zeit Gott zu schenken. Wir können sagen: „Diese Stunde schenke ich dir. Sie ist Ausdruck meiner Hingabe an dich. Ich bin jetzt für dich da.“ Oder sie können sagen: „Ich will versuchen, dir zu dienen und dich anzubeten.“

Je mehr diese Haltung unsere Wirklichkeit wird, desto mehr werden wir wie Johannes im Alltag Stimme Gottes in der Welt sein, unabhängig davon, welche Tätigkeit wir gerade ausüben. Heiliger Johannes der Täufer bitte für uns!