23. November 2024

Glauben wie Maria

Maria ist unser Vorbild für den Glauben. Ihr Glaube war nicht blind. Als der Engel bei ihr eintrat und ihr den Plan Gottes vorstellte, hat sich nicht geantwortet: „Wie wunderbar, ein Engel spricht mit mir.“ Sie war auch nicht naiv und hoffte auch nicht eine Mega-Prinzessin zu werden!

Sie erschrak über die Anrede und überlegte, was dieser Gruß zu bedeuten habe.

Lk 1,29

Sie fragte sich: Kann das wahr sein? Ist das ein Engel oder eine Halluzination? Glaube setzt den Gebrauch der Vernunft voraus!

War es für Maria einfacher zu glauben, weil die Menschen der Antike abergläubig waren und jeden Unfug glaubten? Maria reagierte so, wie wir in einer solchen Situation auch reagieren würden. Sie war nicht leichtgläubig.

Aber was ist der Unterschied zwischen Maria und Zacharias? Maria hinterfragte, prüfte und stellt Fragen. Aber Zacharias zweifelte grundsätzlich an der Botschaft des Engels. Er stellte seine persönlichen Vorstellungen und Erwartungen über die Allmacht Gottes. Maria ließ sich von Gott überzeugen.

Ihr Glaube entwickelte sich schrittweise. Ihre erste Reaktion war ein mildes ungläubiges Staunen.

Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne?

Lk 1,34

Maria konnte nicht glauben, was sie da hörte. Aber sie blieb offen für die Argumente Gottes. Sie bat um eine Erklärung.

Auf die Erklärung des Engels folgte das schlichte Annehmen. Sie sagte:

Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast.

Lk 1,37

Sie konnte sich das nicht vorstellen, aber sie vertraute Gott. Wie sieht es mit unserem Glauben aus? Glauben wir nur, wenn uns alles rational, emotional und persönlich klar ist? Es gibt immer wieder Situationen im Leben, da können wir es nur so machen wie Maria: Uns auf Gott einlassen und ihm vertrauen, trotz unsere Ängste und Bedenken.

Maria stimmte zu, obwohl sie wusste, dass auf ein uneheliches Kind die Steinigung stand. Zudem wusste sie nicht wie Josef reagieren würde, aber was ihre Zeitgenossen denken würden, konnte sie sich gut vorstellen! Sie ließ sich in diesem Augenblick in die Hände Gottes fallen. Wenn wir Gott nicht verstehen, dann können wir mit Gott hadern, streiten wie Ijob, aber letztlich finden wir nur Ruhe, wenn wir uns in seine Arme fallen lassen.

Ein Freund von mir ging vorzeitig in Rente, um zuhause im Gastgewerbe helfen zu können. Doch keine zwei Wochen nach Rentensantritt, erhielt er die Diagnose Gehirntumor. Er haderte mit Gott und fragte mich, ob er wirklich so ein schlechter Mensch gewesen sei, dass Gott ihn so heimsucht. Er war kein schlechter Mensch. Er ging regelmäßig in den Gottesdienst, immer wieder auch wochentags. Er war Lektor, engagierte sich bei Hilfstransporten und chauffierte unentgeltlich Jugendliche mit dem Bus bei Jugendunternehmungen. Nein, er war kein schlechter Mensch.

Monate später als ich bei ihm war, kam eine etwa vierzigjährige Frau und wollte ihn trösten. Sie schaute ihn an und meinte: „Wenn ich sie so da liegen sehe, dann verstehe ich schon, warum man an Gott zweifeln kann!“ Obwohl er körperlich bereits sehr geschwächt war, richtete er sich entsetzt und schlagartig im Bett auf und meinte: „Gute Frau, sie sind nicht in meiner Situation. Wenn sie in meiner Situation wären und am Morgen nicht wissen, ob sie den Abend noch erleben, oder am Abend nicht wissen, ob sie den nächsten Morgen noch erleben, dann wüssten sie, dass es ganz am Ende des Lebens nur zwei Möglichkeiten gibt: Verzweifeln oder Vertrauen, und ich habe mich für Vertrauen entschieden.“

Er tat genau dasselbe wie Maria bei der Verkündigung als sie sagte: Ich bin die Magd des Herrn.

Als der Engel sie verließ, war niemand da mit dem sie hätte sprechen können. Niemand war da, von dem sie erwartete, dass er sie verstehen könnte. Trotz ihrer inneren Not konnte sie Monate nur schweigen. Sie kennen das vielleicht aus ihrem eigenen Leben. Sie haben niemand mit dem sie ein Problem oder eine große Freude teilen können. Im Schweigen wurde Maria auch bewusst, dass all die Verheißungen der vergangenen Jahrtausende auf diesen Augenblick ausgerichtet waren. Angst und Freude erfüllten ihr Herz.

Als sie ihre Cousine Elisabeth traf und diese sie als Mutter des Herrn begrüßte, platzte es aus ihr heraus. Durch das Schweigen war Maria bis in die tiefsten Wurzeln ihres Wesens hinein gepackt und ergriffen. Sie staunte darüber, dass das genau ihr passierte. Jahrtausende hatte Gott diesen Tag vorbereitet, und jetzt wollte er die Welt erlösen und dazu hatte er sie gefragt.

In der Taufe sind wir ein Tempel des Heiligen Geistes, Erben Christi geworden, obwohl wir klein und sündig sind. Das Staunen darüber, dass ich von Gott geliebt werde, sollte uns ständig begleiten.

Als Maria sagte: Ich bin die Magd des Herrn. Anerkannte sie die Realität: Sie ist von Gott erschaffen und erlöst. Folglich legte sie ihr Leben in seine Hände. Vertrauen wir Gott, egal was er für unser Leben vorgesehen hat und egal ob wir es verstehen oder nicht wie Maria? Wenn wir auf diese Frage nicht mit Ja antworten können, dann ist unser Glaube abstrakt und wir haben Gott noch nie wie Maria gesagt: Ich bin die Magd des Herrn!

Maria war sich bewusst, dass auf ein uneheliches Kind die Steinigung stand und dennoch sagte sie: Ich bin die Magd des Herrn. Egal was der Plan Gottes für ihr Leben bedeutete, egal was kommen würde, sie nahm es an! Egal wie Maria sich ihre Zukunft mit Josef vorgestellt hatte, sich der Steinigung schuldig zu machen, hatte sie sicher nicht geplant. Maria zeigt uns, Christsein ist Hingabe an Gott.

Heute steht die persönliche Selbstbestimmung über allem, Hingabe ist da die größtmögliche Provokation. Wir können an Ijob sehen, dass Gott uns kein sorgenfreies Leben verspricht! Aber Ijob lehrt uns auch, dass Not und Probleme, Leiden und Enttäuschungen uns tiefer in die Arme Gottes treiben. Nur in Gott haben wir eine Zukunft über den Tod hinaus.

Noch einen Aspekt sollten wir betrachten: Maria war damals etwa 12-15 Jahre alt und kam aus einer unbedeutenden Familie. Nazareth war damals völlig unbedeutend und die großen Familien lebten anderswo. Sie wusste, wenn ich zum Plan Gottes Ja sage, rutsche ich noch weiter ab. Sie hat ihr Ja immer wieder wiederholt, bis hin zu dem Tag, an dem sie miterleben musste, wie ihr Sohn als noch junger Mann schmählich gefoltert wurde und einen Verbrechertod starb. Zu wie viel Dunkelheit hat Maria unbewusst Ja gesagt, als sie sagte: Ich bin die Magd des Herrn!

Jesus wird später lehren:

Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden.

Mt 23,12

Maria hat uns diese Haltung bereits bei der Verkündigung vorgelebt.

Bevor Jesus lehrte:

Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es finden.

Mt 16,25

Hat Maria uns dies bereits vorgelebt.

Sie hätte sagen können: Ich bin doch nur ein junges, armes, ungebildetes Mädchen vom Land und falls ich nicht vor der Geburt gesteinigt werden, werden mich alle verachten. Wie willst du so die Welt erlösen?

Maria nahm bei der Verkündigung ihren Abstieg in Kauf und bereitet so den Abstieg Gottes vor, der noch viel größer war: Gott wurde Mensch! Der Allmächtige lag als ohnmächtiges Kind im Futtertrog und begegnet uns auch heute noch ohnmächtig in der Kommunion! (Mit wie viel Liebe hat Maria das ohnmächtige Kind umsorgt? Mit wie viel Liebe gehe ich zur Kommunion?)

Maria akzeptierte, dass ihr Ja zu Gott den Tod bedeuten konnte, ihr Sohn war bereit das Ja zum Kreuzestod zu sprechen. Wir heute wissen, wie Gott die Welt erlöst hat, Maria hat die Zukunft noch nicht gekannt. Das macht sie so groß! Ihr Glaube hat dem Erlöser den Weg bereitet!