30. Oktober 2024

Ijob eine prophetische Gestalt

Wer ist Ijob? Seine Lebensgeschichte wird in einem nach ihm benannten Buch des Alten Testamentes erzählt. Sein Leben bildet den Rahmen des Buches. 39 Kapitel enthalten Reden. Es ist nicht ganz einfach zu sagen, wann und wo er gelebt hat. Dies scheint dem Autor nicht wichtig gewesen zu sein, sondern ihm kommt es allein auf die Botschaft an.

Ijob ist unvorstellbar reich und er führt ein gottesfürchtiges Leben. Weder seiner Familie, noch seinen Mitmenschen oder Gott bleibt er etwas schuldig. Sein Leben ist in jeder Hinsicht vorbildlich und rechtschaffen.

Doch an einem einzigen Tag verliert er alles – Räuber fallen über seine Herden her und plündern ihn aus. Was den Räubern nicht in die Hände fällt, geht durch ein Unwetter unter. Das Haus seines ältesten Sohnes stürzt ein, während seine sieben Söhne und drei Töchter dort zum gemeinsamen Mahl versammelt sind.

Als der Nachmittag vorüber ist, ist das Undenkbare passiert – der reichste Mann der Welt ist verarmt und seine Kinder sind einer fürchterlichen Naturkatastrophe zum Opfer gefallen.

Wie reagiert Ijob darauf? Er zerreißt sein Gewand, schert sich die Haare, wirft sich auf den Boden und sagt:

Nackt kam ich hervor aus dem Schoß meiner Mutter; nackt kehre ich dahin zurück. Der HERR hat gegeben, der HERR hat genommen; gelobt sei der Name des HERRN.

Ijob 1,21

Überraschender Weise verbittert er nicht, macht Gott keine Vorwürfe, sondern preist Ihn. Als er aufstehen will, ist sein Körper von Kopf bis Fuß mit eitrigen Geschwüren befallen. Er setzt sich als Zeichen der Buße in Asche und versucht mit einer Tonscherbe die Geschwüre zu entfernen.

Dass er auch jetzt noch gottesfürchtig bleibt, hält seine Frau nicht mehr aus. Sie sagt zu ihm:

Hältst du immer noch fest an deiner Frömmigkeit? Segne Gott und stirb!

Ijob 2,9

Ijob ist schuldlos. Es gibt keinerlei Zusammenhang zwischen einer persönlichen Sünde und dem Ausmaß des Leidens, das er durchlebt. Alles erscheint schrecklich ungerecht. Wo ist die Liebe und Güte Gottes?

Wie hätten Sie an seiner Stelle reagiert? Hätten Sie nach einem Grund, einer Erklärung gesucht? Hätten Sie sich geschämt und sich zurückgezogen? Hätten Sie Gott noch preisen können? Wut, Traurigkeit auch Depression sind eine menschliche Reaktion auf solche Schicksalsschläge. Und eines ist klar, billiger Trost hilft Ihnen in so einer Lage nicht.

Ijob wird von guten Freunden besucht, die sein Schicksalsschlag fassungslos macht. Aber sie können sich nicht vorstellen, dass ihn dieses Schicksal grundlos getroffen hat. Ijob spricht ihnen gegenüber seinen Schmerz aus und hält nichts zurück. Er verflucht den Tag seiner Geburt:

Ausgelöscht sei der Tag, an dem ich geboren bin, die Nacht, die sprach: Ein Knabe ist empfangen.

Ijob 3,3

Er spricht wilde Gebete. Er sagt Gott, was er fühlt. In 39 Kapiteln lesen wir, wie er mit Gott und den Freunden ringt. Er zweifelt. Er weint. Er fragt sich, wo Gott sei und warum ihm all das passiert ist. Er stellt sich dem Grauen seines Lebens.

Die meisten begraben „schwierige Gefühle“ und vertrauen darauf, dass dies als ehrenwertes Verhalten honoriert wird. Das führt meist dazu, dass die schwierigen Gefühle auf unbemerkte Weise durchsickern. Wir sind passiv-aggressiv, machen sarkastische Bemerkungen, haben einen bösen Unterton in der Stimme und strafen andere mit Schweigen. Meist trifft es dann Unschuldige.

Ijobs Leiden dauert mehrere Monate, vielleicht sogar mehrere Jahre. Wir wissen es nicht. Irgendwann akzeptiert er, dass er keine schnellen Antworten bekommt und versucht die Situation zu ertragen, auszuhalten.

Wie oft fällt es uns schwer, auf eine Antwort Gottes zu warten. Wir behalten lieber die Kontrolle. Ijob wartet noch, nachdem seine Frau und seine Freunde bereits aufgegeben haben. Ijobs Freunde versuchen ihm zu helfen, aber der angebotene Trost hilft ihm nicht. Kennen Sie das Gefühl, wenn Sie sich Trost und Aufmunterung erwarten, aber nur unpassende Ratschläge erhalten?

Ijob lässt den unglaublichen Verlust los, akzeptiert, dass er die Kontrolle über sein Leben verloren hat, erkennt an, dass er in jeder Hinsicht ein begrenztes Geschöpf ist. Aber die Erfahrung seiner Begrenztheit schenkt ihm schließlich wahre Demut vor Gott.

Diese schmerzhafte Lektion müssen wir alle lernen. Unser Ich neigt dazu, sich wie Gott zu benehmen. Selbst Gott soll unseren Wünschen und Vorstellungen dienen. Wir glauben, mehr tun zu können, als in unserer Kraft steht. Wir sind unermüdlich in Aktion, weil wir davon überzeugt sind, dass die Welt stehen bleibt, wenn wir es nicht tun. Andere fallen in Depression, weil ihre Wünsche zu hoch und unerreichbar sind, es erscheint ihnen sinnlos, überhaupt etwas zu tun.

Ijob geht verwandelt aus seinem Leiden hervor. Nach seinem großen Verlust und der langen Zeit, die er auf Gott gewartet hat, nennt Gott ihn mein Knecht. Das weist auf eine neue Stufe der Vertrautheit und Nähe zwischen Gott und Ijob hin. (vgl. Ijob 42)

Für Ijob war das alte Leben wirklich vorbei. Diese Tür blieb für immer verschlossen, seine Familie und sein Wohlstand waren dahin. Seine Trauer akzeptiert die Endgültigkeit der Verluste. Er kann das alte Leben nicht zurückholen.

Ijob nimmt die verwirrende Wartezeit ohne Gottes Antwort an, hält seine Begrenzung aus und wird demütig vor Gott. So findet er zu einer tieferen Gottesbeziehung und sein Leben wird zum Segen. Seine Verluste weiten seine Seele für Gott. Ijob wird nicht nur innerlich verwandelt, sondern sein Leben ist gesegnet, mehr als zuvor.

Ijob, der unschuldig Leidende, wurde für die Christen schnell eine prophetische Gestalt, die das Leben und vor allem Tod und Auferstehung Jesu erklärte und ihnen einen tiefen Sinn gab. Und so passt Ijob in die Karwoche.