27. April 2024

Was wollte Jesus mit dem Gleichnis vom verlorenen Sohn sagen?

Wir alle kennen das Gleichnis vom verlorenen Sohn und wir alle haben spätestens seit der Erstbeichte verschiedene Auslegungen dazu gehört. Aber in welchen Zeitzusammenhang hat Jesus es hineingesprochen? Wie hat es sich in den Ohren der Zeitgenossen Jesu angehört?

Wer damals seinen Vater zu Lebzeiten um den Erbteil bat, sagte ihm: Ich wünsche, du wärest tot. Das war undenkbar. Der Vater hätte ihn strafen oder rauswerfen müssen. Stattdessen stimmt er im Gleichnis zu!

Der Sohn endet aufgrund seines zügellosen Lebens als Schweinehirt eines heidnischen Bauern und er beneidet die Schweine um ihr Futter. In Augen der Zeitgenossen ist das so erniedrigend, dass man tiefer nicht mehr sinken kann!

Aber da kommt die nächste, undenkbare Wendung: Der Sohn kehrt nach Hause zurück und bringt damit in den Augen des Dorfes Schande über seinen Vater und seine Familie.

Und wie lässt Jesus den Vater reagieren: Der Vater rennt seinem Sohn entgegen, um ihn zu umarmen. Das Verhalten des Vaters ist äußerst unschicklich und nicht einmal in Glücksmomenten denkbar. Ältere Familienmitglieder musste man immer aufsuchen.

Aber damit immer noch nicht genug: Der Vater richtet eine Feier für das ganze Dorf aus, wie bei einer großen Familienhochzeit; denn ein gemästetes Kalb ist für einen Haushaltviel zu viel.

Auch der älter Bruder beschämt seinen Vater, weil er mit ihm streitet. Auch er will seinen Anteil genießen können und  deutet damit an, dass auch er seinen Vater tot wünschte. Wie reagiert der Vater? Auch in diesem Fall ist er erstaunlich und unglaublich liebenswürdig.

Israel war ins Exil nach Babylon geführt worden, in ein heidnisches Land, wurde dort Sklave und kehrte nach dem Untergang Babylons zurück. Weil aber in den Tagen Jesu die Römer das Land beherrschten, waren die meisten Juden der Ansicht, das Exil würde nach wie vor andauern. Das Volk sei zwar im geografischen Sinne zurückgekehrt, doch die großartige Prophetie von der Wiederherstellung des Reiches war noch nicht wahr geworden.

Mit dem Gleichnis vom verlorenen Sohn sagt Jesus ihnen: Israel ging aufgrund der eigenen Dummheit und des eigenen Ungehorsam ins Exil und kehrt nun zurück, und zwar einfach aufgrund der fantastisch großzügigen, ja verschwenderischen Liebe des Vaters.

Die wahre Rückkehr aus dem Exil würde jetzt durch Jesus stattfinden und wer sich dieser großartigen, göttlichen Liebe und Gnade widersetzt, verhält sich wie der ältere Sohn im Gleichnis.

Israel hatte gesündigt, war immer wieder heidnischen Götzendienst verfallen, endete damit, um im Bild zu bleiben, für heidnische Herren Schweine zu füttern. Doch Israel konnte niemals aus den Bundesliebe seines Gottes fallen.

Sie konnte jetzt sogar zu ihm, Jesus, sagen: Wir wünschten, du wärest tot, doch das würde er nicht mit gleicher Münze zurückzahlen. Gerade sein Tod wird sie erlösen.

Wenn sie daher zu Vernunft kommen und von ganzem Herzen zurückkehren, dann wartet ein erstaunliches, verschwenderisches, überschwängliches Fest auf sie.

Mit der Erzählung dieser Geschichte erklärt und rechtfertigt Jesus auch seine Praxis mit Sündern zu essen: seine festlichen Mahlgemeinschaften sind das Gegenstück zum Mastkalb im Gleichnis, sie sind die Feier der Rückkehr aus dem Exil der Sünde.

Die Kampflinien sind gezogen. Es geht nicht darum, dass Jesus hier und da Menschen verärgert, weil er einige belanglose Verhaltensregeln ignoriert. Jesus hat den Anspruch, das Reich Gottes einzuläuten. Er sieht in seinem eigenen Tun die Erfüllung des gesamten Verlaufs der Geschichte Israels. Dieses Gleichnis weist schon auf einen letzten Zusammenstoß mit den Autoritäten hin, die wünschten, er wäre tot.

Wir können also davon ausgehen, dass Jesus sich bewusst war, wer er war und was seine Sendung ist. Nehmen wir ihn ernst, lesen wir die Evangelien. Tun wir seine Worte nicht einfach ab, wenn sie uns nicht gefallen. Lassen wir sie auf uns wirken, bis sie sich uns erschließen.

Mit dem Gleichnis sagt uns Jesus auch: Nicht unser Bemühen gut zu sein, erzeugt die Liebe Gottes zu uns, sondern Gottes Liebe macht unser Bemühen gut sein zu wollen erst möglich. Sie glauben das nicht? Lieben Eltern ihre Kinder erst dann und nur dann, wenn sie sich gut verhalten? Oder lieben Eltern ihre Kinder längst bevor sie gut oder böse sein können? Ist es nicht die Liebe der Eltern, die Kinder zu reifen Persönlichkeiten werden lässt?

Wir haben also keinen Grund auf andere herabzuschauen, denn ohne die Liebe Gottes sind wir nichts. Lassen wir uns bewusst von ihm lieben! Gehen Sie in die Anbetung, in den Gottesdienst, bereiten Sie sich gut auf die heilige Kommunion — der Begegnung mit Gott — vor, gegebenenfalls durch eine Beichte.